Gnadenbrot *

Iwan S. Turgenjew
Gnadenbrot *
(Nachlebnik)
Stück in 2 Akten
Deutsch von Ingeborg Gampert
3 D, 9 H, 2 Dek
Kusowskin, ein verarmter Adeliger, verbringt seinen Lebensabend auf dem Gut eines verstorbenen Gönners – das ist sein „Gnadenbrot“. Materiell komplett abhängig und in den Jahren etwas wunderlich geworden, ist Kusowskin das Gespött der adeligen Nachbarschaft wie auch des Dienstpersonals. Für Verlierer wie Kusowskin hat man in aristokratischen Kreisen, in deren Salons man Plüsch und Pomp feiert, dazu feinsinnig auf Französisch parliert, nur äußerste Verachtung übrig.

Zum Eklat kommt es, als Olga Petrowna, die junge Erbin von Kusowskins Gönner, frisch verheiratet auf ihr elterliches Gut zurückkehrt. Olgas Mann Jelezki und seine Trinkkumpanen versuchen, Kusowskin in seiner Lächerlichkeit vorzuführen und provozieren ihn – unter massivem Alkoholeinsatz – zu einem exaltierten Auftritt, der mit einer faustdicken Überraschung endet. Vor versammelter Gesellschaft behauptet Kusowskin, er sei Olgas Vater. Ein Beben der Entrüstung geht durch die Oberschicht – allein Olga scheint zu ahnen, dass an Kusowskins Geschichte etwas dran sein könnte…

1890, als „Gnadenbrot“ zu seiner Pariser Uraufführung kam, löste das Stück einen veritablen Skandal aus. So schonungslos präzise hatte bis dato niemand die grassierende Niedertracht, das Gewinnstreben und den Opportunismus beschrieben, der die russische Gesellschaft im 19. Jahrhundert bis an den Rande des Kollapses führen sollte – und darüber hinaus. Mehr als 100 Jahre später könnte man glauben, das sei Geschichte. Doch die aktuellen sozialen Verwerfungen in ganz Europa zeigen: Geschichte wiederholt sich.


Zurück zur Übersicht