Die weiße kreidige Substanz

Tennessee Williams
Die weiße kreidige Substanz
(The Chalky White Substance)
Stück in einem Akt
Deutsch von Wolf Christian Schröder
2 H, 1 Dek
Ein vertrocknetes Flussbett, darüber ein wolkenloser Himmel: die Welt nach dem nuklearen Super-GAU. Über der Landschaft liegt eine weiße, kreidige, todbringende Substanz – die pulverisierten Überreste eines toten Gottes, die der Wind in alle Ecken und Winkel des Erdballs trägt. Inmitten der postapoka-lyptischen Szenerie sitzen Luke und Mark, zwei der Überlebenden, unter denen sich fast nur Männer befinden. Schicksalhaft verbunden, kämpfen Luke und Mark gemeinsam um Trinkwasser, um die Hoffnung auf Zukunft und den letzten Rest ihrer Menschlichkeit.

Der Überlebenskampf jedoch hat den Keil des Misstrauens zwischen die Menschen getrieben. Angesichts knapper Ressourcen wütet ein gnadenloser Krieg aller gegen alle, zusätzlich befeuert durch ein zynisches Terrorregime, das die Wasserrationierung kontrolliert und die Menschen anstiftet zur gegenseitigen Denunziation. Auch zwischen Luke und Mark ist das menschliche Band zum Zerreißen gespannt: Während Luke versucht, sich seinen Glauben an die unzerstörbare Kraft der Liebe zu bewahren, hat Mark insgeheim die Seite gewechselt – für einen kleinen Zugewinn an Macht ist er bereit, seinen Geliebten bei den Behörden ans Messer zu liefern…

Die Welt am Abgrund: Eindrucksvoll verlegt Tennessee Williams in seinem Endspiel „Die weiße kreidige Substanz“ die Vision von Thomas Hobbes vom kriegerischen Naturzustand in das Setting eines vom atomaren Rüstungswettlauf zugrundegerichteten Erdballs. Ein Stück wie eine Zeitkapsel: Veröffentlicht zu Hochzeiten des Kalten Krieges, schlägt „Die weiße kreidige Substanz“ einen beängstigenden Bogen unmittelbar in unsere Gegenwart einer drohenden ökologischen Katastrophe.


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