The Hard Problem
oder
Ist Bewusstsein Materie?

Tom Stoppard
The Hard Problem
oder
Ist Bewusstsein Materie?

(The Hard Problem)
Stück in 11 Szenen
Deutsch von Wolf Christian Schröder
5 D, 4 H, Verw - Dek
„The Hard Problem“, so hatte Tom Stoppard der „Daily Mail“ gegenüber schon klargestellt, ist kein Stück über erektile Dysfunktion. Und auch wenn Hilary, eine junge Psychologie-Studentin, und ihr Dozent Spike sich bereits in der ersten Szene im Bett wiederfinden – „The Hard Problem“, das sie dort mit Leidenschaft zu lösen versuchen, hat erst auf den zweiten Blick mit Liebe und Sex zu tun: es ist die Frage nach dem Leib-Seele-Dualismus, oder genauer: Wenn alles nur Materie ist, wie entsteht dann Bewusstsein?

„The Hard Problem“, ein Begriff, für den es im Deutschen keine angemessene Entsprechung gibt, ist alles andere als abstrakt – er bestimmt auf unterschiedlichste Weise das tägliche Leben. Das muss Hilary, die überzeugt ist, dass menschliches Denken und Handeln mehr ist als bloß das Produkt von Synapsenverschaltungen in der grauen Hirnmasse, schon bald feststellen. Sie hat sich auf einen Job im „Krohl Institute for Brain Science“ beworben. Dort trifft sie auf den Mitbewerber Amal, einen Mathematiker, der glaubt, er könne im Tosen der Hirnströme Muster erkennen und berechenbar machen. Weil Hilary auf dem Institutsflur jedoch im richtigen Moment die richtigen Fragen stellt, bekommt sie den Job.

Damit beginnt „The Hard Problem“ allerdings erst. Denn die Freiheit der Gedanken, die Hilary sucht, ist von Anfang an bedroht – von gängigen Lehrmeinungen, von eifersüchtigen Forscherkollegen, von einer Wissenschaft, die degradiert wird zum Zulieferbetrieb für die Wirtschaft. Jerry Krohl, Hedgefonds-Manager und Namensgeber des Instituts, hat vor allem ein Interesse: Für seine Börsengeschäfte will er eine Theorie, die menschliches Verhalten vorhersagbar macht. Wenn Hilarys Abteilung keine Ergebnisse liefert, gehen ihr vielleicht Fördergelder verloren.

Und so wird Hilarys Idealismus auf eine schwere Probe gestellt. Spike, mittlerweile Professor und knallharter Verfechter von Evolutionstheorie und Materialismus, neidet
Hilary den außerakademischen Erfolg und wendet sich ab. Leo, Hilarys Vorgesetzter und heimlicher Verehrer, hält lange die schützende Hand über sie – ist aber machtlos, als Hilary sich auf ganz dünnes Eis begibt: ein Experiment ihrer Assistentin Bo, das beweisen soll, Egoismus sei dem Menschen nicht angeboren, gibt Hilary zur Publikation frei – ohne dessen Ergebnisse vorher gründlich zu prüfen.

Endgültig ins Wanken gerät Hilarys Wertesystem jedoch, als sie die Vergangenheit einholt. Als Minderjährige hatte sie ihr kleines Töchterchen Catherine zur Adoption weggegeben. Doch nun, viele Jahre später, begegnet sie einem Mädchen, das nicht nur Catherine heißt, sondern auch genau im entsprechenden Alter ist – ausgerechnet die Tochter des steinreichen Institutsgründers Jerry Krohl. Hilary hat die Wahl: folgt sie ihren neu entfachten Muttergefühlen oder trifft sie eine zweckrationale Entscheidung?

„The Hard Problem oder Ist Bewusstsein Materie?“, das neue Stück von Tom Stoppard, ist schnelles, luzides und mitreißendes Erkenntnistheater auf dem aktuellsten Stand. Ingeniös verbindet Stoppard eine Jahrtausende alte philosophische Frage – jene nach dem Verhältnis von Körper und Geist – mit dem State of the Art in Verhaltenspsychologie, Evolutionstheorie und Neurobiologie. Er stellt nicht nur die Frage, was bleibt vom freien Willen, wenn wir uns das Gehirn nur noch als Maschine vorstellen, deren Operationen algorithmisch zerlegt und kalkulierbar gemacht werden. Er stellt auch die Frage, was bleibt von den Wissenschaften, wenn wir sie als das erkennen, was sie letztlich sind: Fiktionen.


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