Blockade
Arnold WeskerBlockade
(Denial)
Stück in 21 Szenen
Deutsch von Jörn van Dyck
5 D, 2 H, Verw - Dek
Das Internet quillt über, sowohl zum Thema "Missbrauch" als auch zum Thema "Missbrauch mit dem Missbrauch". Erwachsene Töchter schuldigen ihre Väter an, sie in ihrer Kindheit missbraucht zu haben, ohne sich jedoch an konkrete Vorfälle erinnern zu können. Sexuelle Tat und sexuelle Fantasie liegen unmittelbar nebeneinander. Inzwischen glauben Millionen von Menschen zu entdecken, daß sie als Kind missbraucht worden sind. Sie können sich an Einzelheiten erinnern, wenn Therapeuten die "Blockade" (scheinbar) verdrängter Erinnerungen gelockert haben. In Philadelphia, USA, ist inzwischen die >False Memory Foundation< ins Leben gerufen worden, um dem missbräuchlichen Umgang mit der Bedeutung psychischer Traumata entgegenzutreten.
Arnold Wesker begibt sich mit seinem Stück in diese heisse Auseinandersetzung: Jenny Young ist im Leben gescheitert. Ehe und beruflicher Erfolg sind Vergangenheit. Sie lebt wieder unter ihrem Mädchennamen. Ihre Gegenwart wird bestimmt durch dubiose Sexbekanntschaften und den Versuch, ihre Probleme mit Hilfe einer Therapeutin, Valerie Morgan, in den Griff zu bekommen. Im Verlauf dieser Therapie scheint sich immer mehr ein sexueller Missbrauch in ihrer Kindheit durch den Vater als Ursache für ihr Versagen herauszustellen. Im weiteren Verlauf beschuldigt Jenny auch ihren Großvater und ihre Mutter der Mittäterschaft. Die Familie ist entsetzt. Ihre jüngere Schwester Abigail versucht, der Wahrheit näher zu kommen. Eine Journalistin, Sandy Cornwall, die sich auf Missbrauch mit dem Missbrauch spezialisiert hat, bietet ihre Hilfe an. Das Stück ist eine Spurensuche. Das Urteil muss der Zuschauer selbst fällen.
"Viele meiner Stücke haben sich bereits mit "dem Manipulator" befasst: Der Pfarrer oder die Religion als Manipulator ("Caritas"), der Journalist als Manipulator ("Journalisten"), der Politiker oder eine politische Ideologie als Manipulator ("Hühnersuppe mit Graupen"), Autoritäten als Manipulatoren ("Alles mit Bratkartoffeln"). Und so weiter. Ich habe "Valerie" nie getroffen, aber ich habe Texte gelesen, die sie geschrieben hat und auch welche, die über sie geschrieben wurden. Sie praktiziert immer noch und organisiert Wochenendseminare zum Thema "Wiedererlangte Erinnerungen an Kindesmissbrauch".
Der aufreibendste Teil dieser Geschichte war für mich die Ablehnung britischer Theater, das Stück aufzuführen. Mein guter Ruf als eine Art "elder statesman" des Theaters hat dazu geführt, dass die Intendanten der wichtigsten Theater mir persönlich schreiben. Ihre Kommentare sind außergewöhnlich. Alle schätzen das Stück sehr – und offensichtlich waren sie nicht bloß höflich – aber sie fanden alle einen Grund, es nicht aufzuführen: Ihr Theater sei nicht dafür geeignet, die Spielzeit bereits komplett, es passe nicht in ihren Spielplan, etc. Ich war über die Reaktionen entsetzt. Das Theater ist der einzige Ort, wo das Undenkbare noch gedacht und das Unsagbare noch gesagt werden kann. Es sollte die Arena sein, in der es dem Autor möglich ist, unbeeinträchtigt über menschliche Beziehungen wie über politische und soziale Themen zu sprechen. Ich bin besorgt angesichts der Tatsache, dass das Theater zu einer Heimat des Gemütlichen und Bequemen wird, wo die Politisch Korrekten gestreichelt werden und die Intelligenz auf der Strecke bleibt." (Arnold Wesker in einem Brief)
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