Heilig und Sündig *
Michail WorfolomejewHeilig und Sündig *
(Swjati i greschni)
Tragikomödie in 5 Bildern
Deutsch von Ingeborg Gampert
3 D, 5 H, 1 Dek
Amerikanische Jeans, edle Velourhandtücher und protzige Regale aus Karelischer Birke – Kusma Tudyschkin, arbeitsloser Installateur, kann mit dem neuen Zeitgeist überhaupt nichts anfangen. Wohin man auch blickt: Biederkeit und Raffgier sind oberstes Prinzip. Kusma aber will anders leben, großzügig, solidarisch, beseelt vom Ideal der Gemeinschaft. Derzeit jedoch beseelt ihn allein der Alkohol. Worunter insbesondere Tochter Lisa zu leiden hat, denn für potentielle Heiratskandidaten ist ihr Elternhaus alles andere als attraktiv.
Neue Perspektiven eröffnen sich, als Gott zur Tür hereinschneit. Gott hält große Stücke auf Kusmas Unangepasstheit und schlägt vor, ihn dafür heilig zu sprechen. Als leuchtendes Vorbild soll er die Menschheit bekehren. Einmal heilig gesprochen, erweist sich das Heiligsein jedoch als schwierig. Überall lauern Prüfungen auf den armen Kusma: Wenn etwa Elvira, die hübsche Frau des verhassten Nachbarn Boris, plötzlich erotisches Interesse an ihm zeigt. Oder wenn Sergej, der herrschsüchtige neue Freund von Töchterchen Lisa, ihn mal wieder schier zur Weißglut bringt. Vor allem aber, als auch Mephistopheles zur Tür hereinschneit – mit einem nahezu unschlagbaren Angebot in der Tasche…
1978, als Michail Worfolomejews „Heilig und Sündig“ entstand, war die Sowjetunion bereits eine Weltmacht im Zerfall – vom Kalten Krieg militärisch und wirtschaftlich ausgezehrt und auch ideologisch so gut wie am Ende. Mitten hinein in dieses machtpolitische Vakuum setzt Worfolomejew seine faustisch-phantastische Groteske, die sich virtuos als Verbeugung vor Bulgakows Klassiker „Der Meister und Margarita“ zu erkennen gibt. Aus den Klauen des Bolschewismus fast befreit, wird der Mensch hier wieder zum Spielball viel größerer Mächte, wobei der Teufel sich geschickt mit dem Kapitalismus verbündet. Am Ende jedoch bleibt auch ihm nur ein Patt. Denn der Mensch ist eben heilig – und sündig.
Zurück zur Übersicht