Kinder der Sonne

Maxim Gorki
Kinder der Sonne
(Deti solnca)
Stück in 3 Akten
Deutsch von Wolf Christian Schröder
5 (6) D, 6 (9) H, Verw - Dek
„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ heißt es in der deutschen Übertragung eines russischen Volkslieds, das dort zur Hymne der Revolutionen von 1905 und 1917 avanciert ist. Dabei sind es vor allem Naturwissenschaftler und Künstler, die „Kinder der Sonne“, die als wahrhaft Erleuchtete dem in Unwissenheit und Armut gefangenen Volk den Weg ins Licht aufzeigen wollen. Wie zum Beispiel der Chemiker Protassow, der in Gorkis Vorrevolutionsdrama „Kinder der Sonne“ nicht allein mit chemischen Lösungen arbeitet, sondern zugleich an der perfekten Mischung für eine ideale Gesellschaft.

Doch hat er dabei einen wichtigen Faktor nicht mit ins Kalkül genommen: den Menschen. Aus Sicht revolutionärer Ideale sind die Menschen in Protassows bildungsbürgerlichem Umfeld allesamt schwere Problemfälle: Schwester Lisa ist traumatisiert durch die Cholera-Unruhen von 1890 und verliert allmählich den Verstand. Freund Wagin arbeitet nicht an der Aufhebung der Klassen, sondern allein an seinem Künstlerego. Veterinär Tscherpurnoj hat als Zyniker sowieso Probleme mit Idealen und begeht schließlich Selbstmord. Ehefrau Jelena schließlich hätte ihren Mann um ein Haar mit dem Maler Wagin hintergangen. Und das Volk? Das Volk erweist sich als genau jener trunksüchtige, geldgierige und brutale Pöbel, den die Intellektuellen eigentlich immer schon in ihm vermutet haben. Zumindest will es sich partout nicht befreien lassen.

Die Komik in „Kinder der Sonne“ ist zugleich seine Tragik: Die Missachtung des menschlichen Faktors auf dem Reißbrett der Revolution macht Protassow nicht nur zum skurrilen Traumtänzer, sie wird im folgenden 20. Jahrhundert auch jene totalitären Monster gebären, die sich zu Erben der Revolution erklären. Hierin zeigt sich der Künstler Gorki deutlich hellsichtiger als sein naturwissenschaftlicher Protagonist.


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