Richter in eigener Sache

John Osborne
Richter in eigener Sache
(Inadmissible Evidence)
Stück in 2 Akten
Deutsch von Günther Penzoldt
5 D, 3 H, 1 Dek
Rechtsanwalt und Menschenfeind Bill Maitland ist überfordert. Überfordert vom Job – die Klienten seiner Kanzlei sind ihm zuwider –, überfordert von seiner Familie – besonders mit der pubertierenden Tochter ist es gerade schwierig – und überfordert vom Liebesleben, weil sich eine Handvoll Affären zunehmend schlecht übers Bürotelefon abwickeln lässt. Und dann das: In einem unangenehm wirklichkeitsnahen Albtraum steht Bill vor Gericht und muss sich rechtfertigen für sein „übles, unzüchtiges und anstößiges“ Leben. Bill ist Rechtsexperte genug, um sogleich ein umfassendes Geständnis abzulegen.

Doch einmal mit Kater aus dem schlechten Schlaf erwacht, wird es auch nicht besser. Im Gegenteil, es verdichten sich die Anzeichen, dass im Prozess „Bill gegen die Welt“ schon bald die Schlussplädoyers verlesen werden: Nicht nur, dass seiner Kanzlei ein Auftrag nach dem anderen verloren geht, dass Bill wegen allzu lockeren Rechtsverständnisses die Anwaltskammer im Nacken sitzt, dass ihm zu allem Überfluss auch noch die fähigsten Mitarbeiter von der Fahne gehen – jetzt kehrt ihm auch noch seine Geliebte Liz, letzte Stütze in einem Leben nahe dem Kollaps, endgültig den Rücken zu.

John Osbornes „Richter in eigener Sache“ macht kurzen Prozess mit seinem Anti-Helden Bill Maitland, dem Prototypen des mittelmäßigen Hochstaplers und zynischen Rechtsverdrehers, der händeringend und Tabletten einwerfend um Kontrolle über sein Leben kämpft. Es macht aber auch kurzen Prozess mit einer Gesellschaft, die diese Bill Maitlands erst hervorbringt – eine Gesellschaft, die in Arbeits- und Lebenswelt gnadenlos Ausdifferenzierung und Optimierungsdruck erhöht, ohne zu wissen, wie das einzelne Individuum damit noch Schritt halten soll.


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