Der Bürger als Edelmann
MolièreDer Bürger als Edelmann
(Le bourgeois gentilhomme)
Ballettkomödie
Deutsch von Tankred Dorst
4 D, 13 H, St, 1 Dek
Die französische Klassik bringt ein neues höfisches Leitbild hervor: den „honnête homme“, einen wohl situierten, anständigen und rechtschaffenen Mann von Welt, dessen umfassende Bildung ihn dazu befähigt, noch in den speziellsten Themenbereichen die hohe Kunst der Konversation zu betreiben. Herr Jourdain ist durchaus wohl situiert, um nicht zu sagen stinkreich, doch bei der Bildung, da hapert’s noch ein wenig. Vor allem aber – und dieser Makel klebt wie die Pest an ihm – ist Herr Jourdain eines: bloß bürgerlich.
Doch wo ein unbedingter Aufstiegswille ist, da ist auch ein Weg. Der Sohn eines Krämers engagiert also eine ganze Armada an Privatlehrern, die ihm Nachhilfe geben in der Kunst des Fechtens, Tanzens, Singens und Philosophierens. So will Jourdain nicht nur in kürzester Zeit das Prädikat „Edelmann“ erwerben, sondern zugleich hoffähig werden für seine Avancen gegenüber der Gräfin Dorimène. Und wer weiß, vielleicht lässt sich seine Tochter Lucinde auf diesem Wege auch noch an einen jungen aufstrebenden Adligen vermitteln?
Jourdains Familie – allen voran seine Ehefrau – kann dem Treiben nur entgeistert zusehen. Zumal Tochter Lucinde mit dem bodenständigen Bürgerssohn Cléonte ihre Wahl längst getroffen hat. Jourdains Kapriolen werden jedoch immer wunderlicher: Heimlich werden im Haus opulente Festbankette veranstaltet, ein zwielichtiger Baron, der es auf Jourdains Vermögen abgesehen hat, geht ein und aus, und schließlich wird auch noch der Sohn des Großtürken bei ihm vorstellig, der Jourdain den Adelstitel eines Mamamouchi verleiht und zugleich um die Hand seiner Tochter anhält.
Hinter der artigen Fassade des „honnête homme“ entdeckt Molières tänzerische Komödie eine gehörige Portion rücksichtslosen Machtstrebens. Für Jourdain jedoch führt der Weg nach oben schließlich nicht in die Vorzimmer des Königs, sondern geradewegs in den Wahnsinn.
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