Der Überfall der Liebe
Pierre Carlet de MarivauxDer Überfall der Liebe
(La surprise de l'amour)
Komödie in 3 Akten
Deutsch von Gerda Scheffel
3 D, 4 H, 1 Dek
„Ich muss Ihnen gestehen, ich habe es als nötig erachtet, für mein ganzes Leben mit dem Geschlecht zu brechen, dem Sie angehören.“ Gleich bei ihrer ersten Begegnung fühlt sich der edle Lelio verpflichtet, der Gräfin diesen Hinweis zu geben. Waren doch seine bisherigen Erfahrungen mit der Treulosigkeit der Frauen allzu entmutigend. Um sich also weitere Enttäuschungen zu ersparen, hat Lelio für sich, wie auch für seinen Diener Arlequin, beschlossen, jedem intimeren Kontakt mit dem schwachen Geschlecht abzuschwören.
Doch der Gräfin imponiert er damit nur wenig, schließlich hat auch sie beschlossen, den Umgang mit dem eitlen Geschlecht der Männer zu meiden. Da aber nun von keiner der beiden Seiten ein Übergriff zu befürchten ist, kann man das Wagnis eingehen, sich gemeinsam ein wenig die Zeit zu vertreiben. Unter dem Vorbehalt, sich jederzeit und umgehend voneinander zu lösen, sollte eine Seite wider Erwarten doch Gefühle für die andere entwickeln.
Dass die Gräfin und Lelio sich zu diesem Zeitpunkt längst schon lieben, bemerken sie als allerletzte. Stattdessen wahren sie demonstrativ Distanz, bieten sämtliche Kräfte auf, die Mauern zu verstärken und lieben sich in glühender Gleichgültigkeit, die umso glühender ist, desto gleichgültiger sich beide geben. Das Spiel der Verführung, das beide – ohne es zu wissen – spielen, ist ein komödiantisches Duell des Verbergens, in dem jedes Wort und jede Geste die Aufgabe hat, seinen verführerischen Sinn zu verschleiern, ihn dabei jedoch umso beredter ausplaudert.
Pierre Carlet de Marivaux, der „Anatom des menschlichen Herzens“, lässt vor dem Zuschauer die ganze widersprüchliche Komplexität des Liebenden entstehen, der sich tarnt, um entdeckt zu werden, und der unzählige Worte findet, um die entscheidenden nicht zu sagen. Erst die Klarsicht der Diener Colombine und Arlequin und ein Kniefall Lelios macht dem Spiel schließlich ein Ende, doch was genau er verkündet, fällt hinter den Vorhang.
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