Der rote Bräutigam

Lotte Ingrisch
Der rote Bräutigam
Lustspiel in 3 Akten
5 D, 4 H, 1 Dek
Auf der Bühne ist der Narr ein Transvestit: Er ist Meister der Umkehrung, des widerwärtigen Benehmens und Verspottens heiliger Rituale; er ist der Kontrapunkt, der ein Stück weit außerhalb der Gesellschaft steht und durch den Tabubruch deren Tabus überhaupt erst zum Vorschein bringt. Der Narr setzt die Ordnung der Welt für einen Moment außer Kraft und verwandelt sie in ein Spiel, ein Spiel, in dem die Hierarchien tanzen, aus Bettlern Könige werden und aus Königen Bettler. Damit ist der Narr nicht nur Prinzip des Karnevalesken, der Verkleidung, der Sprengung der Formen, er ist, und das bei Lotte Ingrisch allemal, das Theater selbst.

In Lotte Ingrischs „Der rote Bräutigam“ ist der Narr ein Gemeindesekretär und hört auf den Namen Kilian Nasentrost. Er arbeitet als geknechteter Dienstbote des Bürgermeisters von Sankt Mux, des eitlen Tobias Gackerschwanz, dessen Tochter Isolde er leidenschaftlich liebt. Doch eines Tages, die Familie Gackerschwanz weilt gerade in einer Salzbadkur, steht der Indianerhäuptling Tolle Krähe im Dorf und bietet tausend Büffel für die Tochter des Bürgermeisters. Um seine Isolde vor dem roten Bräutigam zu retten, muss Kilian eine Schmierenkomödie inszenieren. Eilig wird der Totengräber zum Bürgermeister gemacht, die Toilettenfrau zu dessen Gemahlin und Bienchen Schnurrpuschel, die örtliche Hure, zur Tochter des Bürgermeisters.

Doch die Camouflage geht gehörig in die Hose. Kilian muss erfahren, dass die Pläne des Indianerhäuptlings mindestens ebenso zwielichtig sind wie seine Vergangenheit, die Hochzeit mit Bienchen sich jedoch nicht mehr verhindern lässt. Zudem denkt das Interimsbürgermeisterpaar nicht daran, die neue Stellung wieder aufzugeben – auch nicht, als das echte Bürgermeisterpaar verfrüht aus der Kur zurückkehrt. So gerät der Karneval außer Kontrolle, das Maskenspiel verselbstständigt sich, und Kilian erkennt, dass er, der Narr, der einzige ist, der aus Liebe spielt, und nicht aus Gewinnsucht.


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