Blitz und Donner
Ivan KlímaBlitz und Donner
(Hromobití)
Einakter
Deutsch von Alexandra und Gerhard Baumrucker
2 D, 7 H, 1 Dek
Ein malerisch gelegenes Schlösschen, einst im Besitz des böhmischen Geschlechts von Hasendorff, jetzt umgestaltet zur Oase der Erholung für das arbeitende Volk – die Beschreibung des Hotels „Vorwärts“ im Reiseführer klingt vielversprechend. Freilich handelt es sich bislang eher um eine Idealisierung, die Realität sieht dürftiger aus. In den Zimmern fehlt es an Betten, im Plafond klaffen große Löcher, und es regnet herein. Nur die Hausordnung ist bereits intakt: Wer sein Bett um 6.30 Uhr nicht gemacht hat oder beim Essen mit den Füßen trampelt, wird mit Photo am Schwarzen Brett ausgehängt, im Wiederholungsfall sogar „in Person“.
So macht sich unter den Neuankömmlingen – ein Physiker, ein Sportler, ein Lehrerehepaar mit neunmalklugem Sohn und ein Phobiker – Überraschung breit. Denn neben dem nötigen Komfort und angenehmen Umgangsformen fehlt es dem Haus auch an einem funktionstüchtigen Blitzableiter – eher ungünstig, wo doch gerade ein mächtiges Gewitter aufzieht. Der Leiter des Hauses, ein Mann mit Faible für militärischen Drill, hat jedoch bereits einen Notfallplan. Eine Abordnung der Gäste wird mit handbetriebenem Blitzableiter aufs Dach geschickt, eine weitere kümmert sich um die Ableitung in den Boden. Der Leiter selbst aber schnappt sich das hübsche Fräulein Simonová und sieht zu, dass er Land gewinnt…
„Blitz und Donner“ von Ivan Klíma, der ab 1969 in der Tschechoslowakei Schreibverbot hatte, ist eine bitterböse Farce über den real existierenden Sozialismus und den Wahn sinnentleerter moderner Bürokratien, dem nur mit schwarzem Humor und den Mitteln des absurden Theaters beizukommen ist. Spätestens, wenn die Blitze am Ende einschlagen und die wohlfeilen Versprechen von Fortschritt, Zivilisation und Menschenwürde in Flammen aufgehen, zeigt sich: dieses System bestand nur aus Formularen, Verordnungen und der Hybris der Mächtigen. Für das arbeitende Volk war es nie gemacht.
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