Blut

Käthe Kratz
Blut
Stück in 3 Akten
6 D, 6 H, 2 St, 1 Dek
Bett an Bett liegen sie, die Frauen auf der gynäkologischen Station. Aus ihren Unterleibern werden in Serie Verwachsungen entfernt, Zysten, Entzündungen und Myome, je nach Bedarf auch ungeborene Kinder herausgerupft, Eileiter und Gebärmutter inklusive. Der Oberarzt führt seine Abteilung – „Beine auf!“ – mit sportlichem Ehrgeiz und dem Feinsinn des Handwerkers, die Operation ist ihm eine „Eins-A-Bastelstunde“, die Patientin nicht mehr als eine namenlose Kopplung von Organen. An seinen Händen klebt das Blut.

Die Nacht liegt schon bleischwer über der Station, da treten die Krankengeschichten dreier Zimmergenossinnen in die finale Phase ein: Während Angelika, ehemalige Schönheitskönigin, die sich für ihre Schauspielkarriere das Kind wegmachen lässt, flüsternd einen Monolog probt, färbt sich die Decke ihres Nachbarbettes rot. Dort liegt Hanni, die von einer ganz normalen Familie träumt, vier Kinder hat sie schon verloren, jetzt muss endlich Nachwuchs her für den familiären Betrieb. Berta hingegen ist bereits vierfache Mutter, fünf Abtreibungen haben Schlimmeres verhindert – ihre Existenz war der Bauch, jetzt soll der Bauch endgültig ausgeräumt werden. Doch Berta räumt klammheimlich ihren Schrank…

Scharf wie ein Skalpell und mit bitterem Witz seziert Käthe Kratz den ganz normalen Wahnsinn in den Geburtsfabriken der Krankenhäuser. Die Gynäkologie ist für sie nicht nur tragischer Ort der Tabuisierung und Demütigung, sie ist zugleich ein symbolischer Raum, in dem wie unter dem Vergrößerungsglas das Schicksal der Frau aufscheint: als Brutkasten für den gesellschaftlichen Fortbestand.


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