Skellig
David AlmondSkellig
(Skellig)
Kinder- und Jugendstück
Mehrfachbesetzungen. Die Spieler übernehmen auch den Part der Erzähler.
Deutsch von Bernd Samland
5 D, 6 H, 2 Mädchen, 3 Jungen, Verw - Dek
Michael ist mit seinen Eltern aus seiner vertrauten Umgebung in ein neues, wenn auch altes Haus in der Falconer Road gezogen, er hat seine alten Schul- und Fußballfreunde zurücklassen müssen; und außerdem hat er eine kleine Schwester bekommen, die nicht nur zu früh, sondern auch kränkelnd geboren worden ist und der besonderen Fürsorge der Mutter und der Ärzte bedarf. Er findet alles ätzend - wenn da nicht die baufällige Garage am Haus wäre und das gleichaltrige Nachbarmädchen Mina. Mit beiden hat es eine besondere Bewandtnis. Mina geht nicht zur Schule, sondern wird von ihrer eigenwilligen Mutter zu Hause unterrichtet und im Geiste der Gedichte William Blakes zu einem freien, unabhängigen Menschen erzogen. Und die Garage, in die sich Michael zurückzieht, wenn ihm alles zuviel wird, birgt ein Geheimnis. In all dem Gerümpel haust ein seltsames Wesen, das aussieht wie ein ungewaschener, stinkender alter Mann, nur daß er sich von Mäusen und Insekten ernährt.
Das ist Skellig. Anfassen lassen will er sich nicht.
Nachdem bei Michael der Ekel seiner Angstlust gewichen ist, bietet er dem unter arthritischen Schmerzen leidenden Skellig Hilfe an, Nahrung und Medizin. Skellig wünscht sich nur Aspirin, Nr.27 und 53 vom Chinesen und Schwarzbier. Alles besorgt ihm Michael heimlich. Und er weiht auch seine neue Freundin Mina, die ihn sogar das Fußballspielen vergessen läßt, in sein Geheimnis ein.
Doch Skellig kommt nicht zu Kräften, sein Zustand bessert sich ebensowenig wie der von Michaels winziger Schwester, die im Krankenhaus im Brutkasten liegt und an Schläuchen hängt; und da die Garage abgerissen werden soll, bringen Mina und Michael nachts das rätselhafte Wesen auf den Dachboden des alten vernagelten Hauses, das Minas Großvater gehört hat und das ihr gehören wird, wenn sie einmal groß ist. Und während in Michaels Schule die Evolutionslehre auf dem Lehrplan steht, die ja alle Lebensformen im Wasser, in der Luft und auf dem Land als eine unendliche Kette von Wesen begreift, machen Mina und Michael eine unheimliche Entdeckung: Unter dem Mantel, den er nicht ablegen möchte, hat Skellig auf dem Rücken seltsame Knubbel, die sich in einer naturmagischen Szene zu Flügeln entfalten. Alle drei bilden einen Kreis, fassen sich an den Händen, lassen die Erdenschwere unter sich und - fliegen. Ist Skellig ein Vogelmensch, oder: Engel - gibt's die?
Skellig muß nun fort, er kann nicht bleiben. Zuvor hat er aber noch, Michaels Akt tätiger Nächstenliebe erwidernd, seine ihm innewohnende Kraft Michaels kleiner Schwester zukommen lassen, die nun gesund ist und leben wird. Und einen Namen haben sie für das kleine Mädchen auch. Nein, nein, nicht Persephone, wie Michael es sich wünscht, sondern, weil das Leben eine Freude sein kann, eben: Joy.
Mit rasch wechselnden Szenen, mit dramatischen und erzählerischen Mitteln entwirft David Almond ein Bild der Allgegenwart des Wunderbaren. Dabei verzichtet er auf jede Kindertümelei und wirft sich auch nicht dem allseits beliebten Fantasy-Genre an den Hals. Seine Geschichte bleibt immer an nachvollziehbare Situationen gebunden; sie scheut weder den hohen Ton der Blake-Gedichte, die motivisch auftauchen, noch den kalauernden Witz. Und wenn Almond eine Botschaft - neben der stets verkündeten: "Liebe deinen Nächsten!" - hat, so lautet sie wohl, daß es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt. Aber vielleicht, und auch das ist eine Botschaft des Stücks, sollten manche Fragen lieber ungestellt bleiben.
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