Herbstmanöver
Dieter KühnHerbstmanöver
Schwarze Komödie
2 D, 8 H, 2 St, 1 Dek
Wilhelm, Exkaiser im niederländischen Exil, sägt. Partner am Sägebock: Reinhard, ehemaliger U-Boot-Kommandant. Mit der Holzarbeit will sich der alte Herr in Form halten für die Rückkehr nach Berlin, in das Schloss, auf den Thron. Ihm dabei helfen soll Hermann Göring, auf dessen erneuten Besuch er sehnlichst wartet.
Es ist das Jahr 1938. Wilhelm wird bald achtzig. Vormittags sägt er, nachmittags schreibt er - doch woran? An der Fortsetzung seiner Memoiren, somit am großen Kapitel über den ersten Weltkrieg? Adjutant Reinhard versucht, Einfluss zu nehmen: Abschreckend soll der Seekrieg herausgearbeitet werden, Reinhard ist gegen einen neuen Krieg in Europa. Die Rückeroberung von Kolonien in Afrika hält er allerdings für angebracht - damit käme die deutsche Marine endlich wieder zur Geltung.
Zusätzliche Figuren kommen ins Spiel: Wilhelms vierter Sohn, "Auwi"; Alexander von Hohenzollern, ein Enkel; SA-Männer auf Visite; eine Imitation von Friedrich dem Großen, wie von Otto Gebühr in Filmen verkörpert: der Forstrat im Ruhestand soll in friederizianischem Kostüm zur moralischen Stärkung des alten Mannes beitragen, der sich jung genug fühlt, um sich von seiner Vergangenheit nicht lösen zu müssen und der einen Pakt mit Göring in Kauf nähme, um endlich wieder Macht ausüben zu können. Zugleich aber wächst auch ein Grundgefühl der Vergänglichkeit, wiederholt sieht Wilhelm sich, in einer Aufwallung, schon als sägendes Gerippe, während blindwütiger Aktionismus sich fortsetzt.
Manöver in Doorn: letzte Anstrengungen eines alten Mannes, der das Altern nur stellvertretend thematisiert, indem er über Leichen redet. Zugleich überspielt er mit Vehemenz, was er längst schon fühlt: den Niedergang, auch physisch. Die Hoffnung auf Macht wirkt jedoch als Stimulans der Verjüngung. Dabei wird Wilhelm von Hermine unterstützt, der zweiten Ehefrau. Auch sie wirkt tatkräftig mit an der Fiktion, eine Rückkehr nach Berlin sei möglich; freilich setzt sie eher auf den Führer als Helfer und ist damit Planspielen nicht fern, die Hitler ansatzweise durchgeführt hat: Restauration der Monarchie als stabilisierendem Faktor?
Rechtslastigkeit artikuliert sich als Selbstverständlichkeit, rechte Gewalt selbst vor Huis Doorn führt nicht zur Einsicht, schon gar nicht zum Einlenken. In einem großen Kriegsspiel, einem Manöver, bei dem auch die SA-Männer mitwirken, führt die schwarze Komödie an Realität heran.
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