Race

David Mamet
Race
(Race)
Stück in 3 Szenen
Deutsch von Bernd Samland
1 D, 3 H, 1 Dek
Der weiße schwerreiche, prominente und verheiratete Charles Strickland wird beschuldigt und angeklagt, seine junge schwarze Geliebte in einem Hotelzimmer vergewaltigt zu haben. Deshalb begibt er sich in die Anwaltskanzlei von Jack Lawson, weiß, und Henry Brown, schwarz. Nachdem der jüdische Anwalt Nicky Greenstein seine Verteidigung nicht übernehmen wollte. Aus Mangel an Erfolgsaussicht, aus Zweifel am Angeklagten? Charles beteuert seine Unschuld, natürlich. In einem schwarz-weißen Verteidigerteam sieht er wohl eine größere Siegeschance vor Gericht.

Misstrauen ist gut, Kenntnis der Akten- und Faktenlage ist besser, denken sich die beiden Anwälte, bevor sie das ebenso prestigeträchtige wie lukratie Mandat übernehmen. Und nehmen ihren prospektiven Mandanten nicht nur gesprächsweise in die Mangel, sondern setzen auch alle Hebel in Bewegung, um an Hintergrundinformationen zu gelangen, an Tatortprotokolle und Aussagen der Hotelangestellten. Es läuft (nicht) alles wie geschmiert, auch wenn der amtliche Dienstweg nicht eingehalten wird. Nach verbalen Scharmützeln zwischen Henry und Charles, bei denen alle Schattierungen der herrschenden "Political Correctness" zur Sprache kommen – kein Weißer darf sich anmaßen, etwas über "die Schwarzen" zu sagen –, ziehen sich die Anwälte zur Beratung zurück. Das heißt, sie schicken ihre blutjunge, gerade mit Prädikatsexamen von der Elite-Uni gekommene neue Mitarbeiterin Susan, schwarz, mit Charles ins Nebenzimmer, wo er nicht nur die nötigen Formalitäten erledigen, sondern auch Auskünfte für eine Art Sündenregister seines Lebens geben soll.

Derweil wollen die beiden gewieften Herren eine mögliche Verteidigungsstrategie ausbaldowern, bevor sie sich zur Übernahme des Mandates entschließen. Denn eines ist ihnen vollkommen klar. Sie stehen vor einem Dilemma. Wenn sie den von der Öffentlichkeit längst vorverurteilten Angeklagten rauspauken, stehen sie als rassistische Frauenfeinde da; wenn sie den Prozess verlieren, gelten sie als inkompente Anwälte. So geht es nur vordergründig um Recht, gar Gerechtigkeit; und um Schuld oder Unschuld, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, eine Frage der Moral, geht es gleich gar nicht. Es geht einzig und allein um den Sieg im Verfahren. Der sich nur erringen lässt, wenn man die Schwachpunkte des Gegners kennt.

Die Entscheidung über die Annahme des Mandats wird den Herren von ihrer allzu tüchtigen Mitarbeiterin Susan abgenommen; sie hat nicht nur Stricklands Scheck quittiert, sondern auch beim Gericht Akteneinsicht gefordert. Damit sind Lawson und Brown offiziell als Stricklands Verteidiger benannt. Dass Susan ihr eigenes schwarzsaures Süppchen kocht, wird erst am Ende des finten- und gegenfintenreichen Stücks als Pointe klar.

Ins Hochgefühl der Anwälte, die schließlich den Schwachpunkt des Gegners erkannt haben, platzt der Angeklagte Charles mit seiner Ankündigung, er wolle vor die Presse treten – mit einer Art von allgemeinem Schuldbekenntnis, seine junge schwarze Geliebte ausgenutzt zu haben, aber ohne die Tat konkret zu gestehen.

Doch nicht daran scheitert die Strategie von Jack und Henry. Vielmehr hat Susan einen alten schwarzen Studienfreund von Charles aufgetan, dem dieser einst aus der Karibik über die sexuellen Vorzüge schwarzer Feuchtgebiete vorgeschwärmt hatte. Ist er doch ein verkappter Rassist?

Und Susan selbst entpuppt sich als nicht ganz makellos, hat sie doch in ihrem Bewerbungsschreiben geschummelt. Was Jack zwar durch Nachforschungen ausfindig machte, sie dann aber doch einstellte, weil er weder gegen die Antidiskriminierungsgesetze verstoßen noch als Rassist dastehen wollte. Rassist ist immer der Andere, ob weiß oder schwarz. Und ausgenutzt wird das Epithet immer dazu, am Ende als Sieger aus dem Ring zu gehen. Und dabei spielt, wie Henry sich ausdrückt, "der historische Kalender" die entscheidende Rolle. (Bernd Samland)

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