Mühsames Klettern im Altersbaum
Dieter KühnMühsames Klettern im Altersbaum
Stück in 2 Akten
2 D, 1 Dek
Es ist wieder soweit. Kaum hat Beate, alleinerziehende Lehrerin mit diffiziler Männer-Vergangenheit, das Zimmer ihrer Mutter im Altersheim betreten, hagelt es Vorwürfe: Wieso sie denn so spät komme? Warum sie denn immer so viel arbeiten müsse? Was sie denn immer in ihrer seltsamen Selbsthilfegruppe wolle, diesem „Ringelpiez frustrierter Frauen“? Und überhaupt: Ob es nicht an der Zeit sei für einen richtigen Mann – statt all dieser ehegeschädigten Jünglinge, die fort sind, sobald sie sich bei ihr die Wunden geleckt haben? Und schon ist Beate, die tapfer ihre Verteidigung organisiert, was sie nie mehr sein wollte: das kleine, gemaßregelte Mädchen. Und das in ihrem Alter.
Es kommt allerdings noch besser: „Abuela“, so nennt sich die Mutter seit ihrer Zeit in Spanien, will raus aus dem Heim. Sie fühlt sich lebendig begraben zwischen dem Geschlurfe und Gehumpel ihrer Mitbewohner, zwischen all den Krücken und Rollstühlen. Zehn Jahre gibt sie sich noch, die will sie mitten im Leben verbringen – sprich: sie will zurückziehen zu Tochter und Enkel. Das aber schlägt bei Beate ein wie eine Splitterbombe – zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an den letzten Versuch einer Mutter-Tochter-WG. Wenn ihr die eigene Zukunft wirklich etwas wert ist – die noch labile Beziehung mit dem Onkologen André und der Plan, mit ihm eine Klinik im Regenwald zu leiten –, dann bleibt ihr nur eines: Sie muss kämpfen.
Die Figuren bei Dieter Kühn hadern – mit sich und dem Leben. Gerade deshalb sind sie so lebendig. "Mühsames Klettern im Altersbaum" ist eine heitere und dennoch beinharte Abrechnung mit jenem seltsamen Konstrukt, das sich „Familie“ nennt. Zwei mächtige Rivalen treten dabei gegeneinander an: die Angst vor dem Alleinsein im Alter und die Angst vor den verpassten Lebenschancen. Mutter und Tochter schenken sich natürlich nichts. Doch je verbissener der Kampf geführt wird, desto deutlicher zeichnet sich ab: es ist auch ein Kampf mit den eigenen Lebenslügen.
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