At Liberty

Tennessee Williams
At Liberty
Stück in einem Akt
2 D, 1 Dek
Schauspielerin Gloria La Greene, ihrer eigenen Anzeige im Billboard Magazine zufolge „27 Jahre, blond, attraktiv, schnell im Lernen, vielfältig talentiert, exzellent gekleidet“ und außerdem „frei verfügbar“, glaubt noch immer bedingungslos an ihren großen Durchbruch am Broadway: obwohl sie ihr Alter geschönt hat – tatsächlich ist sie 32 –, zudem schon länger ohne ein Engagement geblieben ist, an einer Lungenkrankheit leidet und – für Gloria das Schlimmste – mittlerweile wieder bei ihrer Mutter lebt, im scheintoten Provinznest von Blue Mountain, Mississippi.

Gloria ist jedoch nicht nur für die großen Rollen zu haben, sondern auch für Männer: Abend für Abend vertraut sie sich in Hotelbars der Freundlichkeit von Fremden an, immer in der Hoffnung auf eine Liebe fürs Leben – die allerdings meist bloß eine Nacht lang hält. Als Gloria am Ende einer dieser Nächte nach Hause zurückkehrt, wird sie von ihrer Mutter zur Rede gestellt. Der Tochter sollen die Augen geöffnet werden für den Unterschied zwischen Wunsch und Realität, zwischen gelebtem und bloß geträumtem Leben. Gloria jedoch denkt gar nicht daran, das blutarme Leben in Blue Mountain als das einzig mögliche zu akzeptieren…

„The past keeps getting bigger and bigger at the future’s expense“, ruft die besorgte Mutter ihrer traumverlorenen Tochter zu, doch es ist auch hier wie bei den anderen großen Frauenfiguren im Werk von Tennessee Williams: ihrer Zerbrechlichkeit, ihrem Leiden an der Profanität, ihrer rastlosen Suche nach Freiheit, in der auch eine Spur von Wahnsinn steckt, gehört unsere ganze Sympathie. Doch der Wunsch nach Freiheit ist bei Williams immer janusköpfig – unversehens wird er zum größten Zwang.


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