Eros

Pavel Kohout
Eros
(Erós)
4 Akte
Deutsch von Bohus Z. Rawik
5 D, 3 H, Verw- Dek
Die vier Kinder von Emil Heidenreich könnten unterschiedlicher nicht sein: Ester, die auf ihr Studium verzichtete, um nach dem Tod der Mutter für die Geschwister zu sorgen; Egmont, der erfolgreiche Anwalt, der seine Frau mit seiner Sekretärin betrügt; Eduard, der ruhmlose Maler von Geschlechtsteilen in expressionistischer Optik, und Elvira, die sich ohne Rücksicht auf emotionalen oder finanziellen Ruin von einer Liebe in die nächste stürzt.

Was die Sorge um das gemeinsame Erbe angeht, sind sich die Vier allerdings einig. Egmont bestellt die Geschwister ein, um seine lukrative Geschäftsidee für das Familiengrundstück im Wald zu präsentieren, den Neubau eines üppigen Villenviertels. Das einzige Problem: die alte Villa des Vaters und dessen geliebtes Jagdrevier müssten den Baumaßnahmen weichen. Eigentlich wollte der alte Heidenreich nach seinem letzten Krankenhausaufenthalt zur ältesten Tochter ziehen, doch nun funkt Gott Eros dazwischen: der alte Mann ist frisch verliebt und zum Entsetzen seiner Kinder will er die 55 Jahre jüngere Krankenschwester Elisa auch gleich heiraten. Das Bauprojekt ist in Gefahr, und die Erben sind sich sicher, dass die kindliche Stiefmutter ihren Vater auch zum finanziellen Aderlass bittet.

Heidenreich unterdessen begrüßt euphorisch den neuen Lebensabschnitt. Vorbei ist die ewige Sehnsucht, die schwelende Leere, das Gefühl, sein Leben sei zu Ende. Umso erstaunter ist er, dass seine Kinder kein Verständnis für sein Glück aufbringen. Im Gegenteil. Nacheinander besuchen sie ihn alle und versuchen, ihm die neue Liebe auszureden: mit juristischer Vehemenz (Egmont), aufgrund sexualpsychologischer Tatsachen (Eduard) und mit den Tränen der liebesenttäuschten Tochter (Ester)… Traurig stellt der Vater fest, dass nicht einmal Elvira an seine Liebe glaubt, die dem absoluten Glück immer den Vorrang vor der Sicherheit gegeben hatte.

Als Elisa auch noch schwanger wird, greift Egmont zu drastischen Mitteln. Er setzt die junge Frau unter Druck, drängt sie, heimlich abzutreiben und bietet ihr dafür eine beträchtliche Summe Geld. Auf einer Videoaufzeichnung verfolgen die Geschwister die Vernichtung der unliebsamen Nebenbuhlerin.

Längst sind die Masken des Anstands gefallen und die moralischen Skrupel überwunden, die Geschwister fallen wie die Hyänen über das Glück des Vaters her. Erst als ihre Ziehmutter, die Haushälterin Vaclava, ihnen vor Augen führt, wie aus den einstigen Kindern egomane, selbstsüchtige und rückgradlose Menschen geworden sind, melden sich bei den Geschwistern Zweifel. Doch da ist es bereits zu spät: Elisa ist fort, der Vater ist mit dem Gewehr im Wald, und plötzlich hört man einen Schuss…

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Veränderungen in der Nachwendezeit erzählt „Eros“ vom bitteren Niedergang einer an sich glücklichen Familie, die sich durch Profitdenken und familiale Verstrickungen selbst vernichtet. Emil Heidenreich, dessen gesamtes Vermögen im Kommunismus über vierzig Jahre beschlagnahmt war, der als Regimekritiker seine Lizenz als Anwalt verlor und nach dem Tod seiner Frau alleine für die Familie sorgen musste, wird nun in Gestalt seiner eigenen Kinder vom nachfolgenden System ruiniert.


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