Ich schreibt Anima

Dagrun Hintze
Ich schreibt Anima
Hörspiel

Eine Tour d´Horizon über die Konstitution des liebenden Subjekts, für die sich ein Ich und ein Du, ein Er und ein Wir gemeinsam mit Instanzen wie der Moral, der Seelenkunde und der Dichtung zu einem so furiosen wie beispielhaften Auftritt zusammenfinden.

Sie verabreden sich zum Essen, beginnen eine Affäre, verlieben sich. Fast alltäglich ist der Auftakt der Liebesgeschichte, von der Ich schreibt Anima in einem mehrstimmigen Chor erzählt. Ich und Du, Er und Wir, das sind die Personalpronomen, die dabei zu Wort kommen. Ganz nebenbei mischen sich auch die Biographie oder die Seelenkunde ein, und selbst „die Dichtung kann ihre Klappe mal wieder nicht halten“

Dem ersten, vordergründig routinierten, Liebesakt zwischen dem männlichen Du und dem weiblichen Ich folgt ein Sommer, den das Ich noch mit dem Er verbringt, mit dem es eigentlich zusammenlebt. Dann trennt es sich von seinem Gefährten, um mit dem Du eine „richtige“ Beziehung einzugehen. Und damit fangen die Probleme an.

„Eines Nachts in einem Hotelzimmer, da passiert es, dass unser Ich plötzlich weint, zum allerersten Mal weint, seit es dem Du begegnet ist.“

Mit wachsender Nähe und Intimität rücken der lebensgeschichtliche Ballast, Kränkungen und Verletzungen der Vergangenheit, Ängste und Neurosen dem Liebespaar mehr und mehr zu Leibe.

Vielleicht ist das Ich fortgegangen und hat sich manchmal sogar selbst vergessen, aber die Biographie kam hinterher, dicht auf den Fersen, und jetzt und hier hat sie das Ich eingeholt.

Dazu kommt ein Alkoholproblem, das dem gemeinsamen Glück gehörig im Weg steht. Streit, Vorwürfe, Hass, all das mischt sich ein in das große Liebesgefühl. Der Chor kommentiert die Entwicklung der Beziehung, reagiert besorgt auf Konflikte, atmet auf, wenn Nähe und Harmonie neu entstehen.

Trotz aller Bemühungen ist das Verhältnis zwischen dem Ich und dem Du schließlich so zerrüttet, dass der Chor aufgibt und ohne das Ich und das Du eine Theatervorstellung besucht. Denn nur auf der Bühne, unberührt vom „wahren“ Leben, kann die romantische Liebe jene positive Utopie bleiben, die sie uns immer wieder verspricht.

Ich schreibt Anima ist gleichzeitig Gesang und Abgesang auf das, was wir in einer Liebesbegegnung als einzigartig, individuell und nicht wiederholbar wahrnehmen. In poetisch dichter Sprache führt das Stück prototypisch vor, was es bedeutet, wenn Zwei sich aufeinander einlassen, um eine große Liebe zu erleben, und dabei vom Leben eingeholt werden.

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