An den Nagel gehängt!

Eugène Labiche
An den Nagel gehängt!
(Le clou aux maris)
Vaudeville-Komödie mit Liedern in einem Akt
Deutsch von Rainer Kohlmayer
2 D, 3 H, 1 Dek
Um die Anwaltskanzlei ihres vor zehn Monaten verstorbenen Mannes Jules Montgicourt und die gemeinsame Wohnung zu retten, heiratet die junge Witwe Olympia kurzentschlossen den bisherigen Kanzleisekretär Ernest Picquefeu. Aber am Hochzeitstag eröffnet sie ihm, dass ihre Beziehung platonisch bleiben müsse. Sinnbild für ihren krankhaften Totenkult ist das dominierende Porträt des vergötterten Jules Montgicourt im Wohnzimmer und die Weiterbeschäftigung seines alten Kammerdieners Amédée.
Als zwecks Scheidung wütend Besuchon in die Kanzlei stürmt, weil er Liebesbriefe von diesem Jules Montgicourt bei seiner Frau entdeckt hat, bejubelt Picquefeu die Gelegenheit, den Vorgänger vom Sockel der Tugendhaftigkeit zu stoßen, und dessen Porträt wird abgehängt. Doch jetzt verwandelt sich die gekränkte Olympia in eine unersättlich liebeshungrige, dann aber auch extrem eifersüchtige Frau, die ihren zweiten Mann nicht mehr vor die Tür lassen will, als sie auch auch an Picquefeus Treue zu zweifeln beginnt.
Picquefeu sucht Bewegungsfreiheit und behauptet, er habe die Geschichte mit den Liebesbriefen nur erfunden, um seinen Vorgänger zu desavouieren. Doch da taucht der rachedurstige Besuchon mit den 32 Liebesbriefen zum Showdown auf und bringt den dramatischen Knoten zum Platzen. Olympia erkennt, dass die Liebesbriefe ihres Mannes an sie selbst gerichtet waren. Sie hatte sie bei einer Freundin aufbewahren lassen. „Jules ist unschuldig!“ Das Porträt des Anwalts wird wieder aufgehängt. Picquefeu aber darf jetzt trotzdem mit ins Schlafzimmer, weil er geschworen hat, mit seiner Frau über nichts als über seinen Vorgänger zu reden, ein Schwur, den er wohl kaum einhalten kann, wie er im Schlusslied verrät.

AN DEN NAGEL GEHÄNGT ist einer der amüsantesten und gelungensten Einakter von Labiche, weil er aus einem schwierigen Stoff ein Feuerwerk aus Sprach-, Situations- und Charakterkomik zu schlagen versteht. Die zehn Lieder steigern die Dramatik und bringen die Situationen immer witzig auf den Punkt – ob sie gesungen, gerappt oder gesteppt werden.
Leichtfüßig und unsentimental erzählt Labiche die Geschichte einer Verwandlung und Rückkehr ins Leben, ohne moralischen Zeigefinger, aber mit Liebe zu allen Charakteren. Ein Sieg der komödiantischen Phantasie über alle Hindernisse, wenn auch kräftig unterstützt durch den freundlichen Gott des Zufalls, der Jahrhunderte früher noch als deus ex machina auftrat.
Wer das Publikum optimistisch stimmen will, hat mit diesem 70-Minuten-Stück eine wirksame Arznei – serviert mit dem Champagner der guten Laune. Das Stück wird in Paris immer wieder gespielt, wo es am 1. April 1858 am Théâtre du Palais Royal uraufgeführt wurde. Rainer Kohlmayer hat es zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt.


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