Kein Geld *
Iwan S. TurgenjewKein Geld *
(Bes deneg)
Szenen aus dem Leben eines jungen Adligen in Petersburg
Deutsch von Ingeborg Gampert
1 D, 10 H, 1 Dek
Der junge Schasikow hat kein Geld. Auch sein Diener Matwej hat kein Geld. Beide haben sie noch nicht einmal Geld für Zucker. Hinzu kommt: Auch der Schuhmacher hat kein Geld. Deshalb steht er vor der Tür und will, dass Schasikow ihn endlich bezahlt. Der aber hat noch immer kein Geld, nicht eine Kopeke. Auch nicht für den Möbelhändler, das Mädchen von der Wäscherei, den Droschkenkutscher und den Mann ohne Namen, der da keinen Spaß versteht. Sie alle wollen Geld, sie alle brauchen Geld. Aber Schasikow hat keines.
So kann es natürlich nicht weitergehen. Deshalb schreibt Schasikow dem General Schenzel untertänigst einen Brief. Ob er ihm nicht etwas Geld leihen kann? Der General Schenzel kann nicht. Eine aussichtslose Lage. Schasikow ist kurz davor, arbeiten zu gehen. Doch Matwej hat einen Einfall: Man könnte zurück aufs Landgut, zurück zur Mutter. Ein Gedanke, der Schasikow widerstrebt. Auf dem Land herrscht Langeweile und die Mädchen sind wie Wachs. Aber Schasikow hat Glück. Denn schon bald klopft seine Rettung an die Tür: Blinow, sein alter Freund, der hat Geld. Zumindest für einen Abend.
50 Rubel soll Fjodor Dostojewski, ein Mann mit chronischen Spielschulden, Iwan Turgenjew geschuldet haben – eine Schuld, an der ihre Freundschaft fast zerbrach. Ob Dostojewski Vorbild für den ewig blanken Schasikow war, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Sicher ist nur: „Kein Geld“, eine bissige und zugleich hinreißend absurde Satire über eine Gesellschaft auf Pump, ist Iwan Turgenjews prophetischstes Stück. Denn all die Schulden sind immer noch da. Und das sogar so reichlich, dass nur neue Schulden helfen, um die Zinsen der alten zu zahlen.
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