Eine Frau aus der Provinz *

Iwan S. Turgenjew
Eine Frau aus der Provinz *
(Provincialka)
Komödie in einem Akt
Deutsch von Ingeborg Gampert
2 D, 5 H, 1 Dek
Darja, die Frau des kleinen Kreisbeamten Alexej, steht zwischen den Welten. Als Pflegetochter einer Adelsfamilie ist sie aufgewachsen im Kraftfeld von kultureller Bildung und Weltläufigkeit, hat ihr Französisch gelernt und auch die Liebe zur Musik. An der Seite des herzensguten Alexej, dessen Beamtenhaushalt in der Provinz Darja aufopferungsvoll führt, sind die Verhältnisse dagegen ärmlich, geistfern und eng. Darjas Erinnerungen an die Weite des Horizonts in Jugendtagen flackern nur noch auf kleinster Flamme.

Neu entfacht wird dieses Feuer jedoch, als Graf Ljubin aus St. Petersburg seinen Besuch ankündigt, um mit Alexej über Geschäfte zu verhandeln. Graf Ljubin, das war der Mann ihrer jugendlichen Träume, Sohn ihrer reichen Pflegeeltern, gut aussehend, feinfühlend, mit allen Chancen. Heute hat Graf Ljubin von seiner Aura etwas eingebüßt: geschäftlich geht es bergab und die Falten pudert er sich fort. Dennoch arrangiert Darja ein kleines, intimes Tête-à-Tête beim Essen. Mit weiblichem Charme soll dem Grafen die Idee schmackhaft gemacht werden, sie nach St. Petersburg mitzunehmen – sie und den rasend eifersüchtigen Alexej.

„Im wirklichen Leben“, hat Tschechow gesagt, „verbringen die Menschen nicht jede Minute damit, einander zu erschießen, sich aufzuhängen und Liebeserklärungen zu machen.“ Stattdessen nehmen sie ihre Mahlzeit ein, „und inzwischen ist ihr Glück gemacht oder ihr Leben ruiniert.“ Darin aber liegt die Leistung des Realismus: er hebt die Verhältnisse, in denen Menschen leben, in die Sphären der Poesie, ohne ihnen auch nur ein Gramm Wirklichkeit abzuziehen. Iwan S. Turgenjew war einer seiner größten Pioniere.


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