White Cube
Dagrun HintzeWhite Cube
Eine Collage
5 H, 1 Dek
„Künstler zu sein, bedeutet eigentlich, es nicht geschafft zu haben, Revolutionär zu werden.“ Burchhardt
Fünf bildende Künstler in einem abgeschlossenen Raum – sie reden miteinander und gegeneinander an und suchen alle eine Antwort auf dieselbe Frage: Was will ich von der Kunst? Oder: Was will sie von mir?
Zeitgenössische Kunst hat einen hohen Imagefaktor: Während die Nachrichten immer neue Auktionsrekorde melden, drucken Hochglanz-Magazine Fotostrecken von den hippen Strandpartys der Art Basel Miami ab. Wer Gegenwartskunst sammelt, bringt seinen verfeinerten Lebensstil zum Ausdruck und leistet sich außerdem eine gehobene Form der Geldanlage. Die inhaltlichen und formalen Diskurse der Gegenwartskunst finden jedoch meist fernab des Kunstmarktes und seines Glamours statt – und es ist noch immer der Künstler in seinem Atelier, der die Werke von morgen erfindet, die Gemälde, Skulpturen, Installationen, Zeichnungen und Fotografien oder Konzepte für Interventionen im öffentlichen Raum. Der ganz normale Künstler, der seine Arbeit tut und kein Malerfürst oder Popstar ist, sondern einer, der oft keine andere Wahl hatte, als diesen Berufsweg einzuschlagen.
„Ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Und wenn es doch sein müsste, dann am liebsten irgendetwas mit Müll.“ Frue
Vielleicht, weil er etwas schräger in die Welt gebaut ist als andere, vielleicht, weil er sich ausdrücken muss, vielleicht, weil er aufbegehren, Widerstand leisten, etwas verändern will.
„Man muss dem System Probleme machen, indem man versucht, seine Selbstgefälligkeit zu befragen. Wahrnehmungssysteme brauchen Komplexitätsreduktion, mit Reduktionismus muss man leben lernen. Wenn du mit den Details nicht reduzierend umgehst, dauert es zwei Stunden, und du bist tot.“ Rode
Burchhardt sieht den Künstler als gescheiterten Revolutionär, der es nicht geschafft hat, eine Waffe in die Hand zu nehmen, und will auf keinen Fall, dass seine Tochter in seine Fußstapfen tritt. Rode entwickelt eine eigene Material-Philosophie und ist auf der Suche nach einem Ort ästhetischer Gleichgültigkeit. Lüders wäre lieber Pianist geworden und berichtet von seinen Panikattacken angesichts der Zeitschrift „Kunstforum“, während Frue Amputationen an seinem Namen vornimmt, nicht mehr an den Klimawandel glaubt und sich bei seinen Zeichnungen mit einem „Sisyphos-Stift“ abmüht. Und Schechtle, der für seine Arbeit immer den Endspurt braucht, hält Sprache generell für gefährlich, wenn es um Kunst geht.
„Du sagst das falsche Wort zu einem Kunstwerk, und es ist tot. Als hättest du einen Fluch ausgesprochen.“ Schechtle
Wie schon das Recherchestück „Die Zärtlichkeit der Russen“ (Uraufführung 2011, Staatsschauspiel Dresden) basiert auch White Cube auf Interviews, die Dagrun Hintze mit fünf zeitgenössischen Künstlern geführt und dann zu einer „Dramatischen Installation“ montiert hat. Ihr Interesse galt dabei Fragen nach Identität und Haltung heutiger Künstler und dem männlichen Blick auf diesen Beruf – außerdem den Härten, Abgründen und Alltagssorgen, die er mit sich bringt. White Cube gibt Einblick in eine obsessive Welt, in der nur die eigenen Regeln gelten. Der Künstler erscheint als eine möglicherweise verrückte, vor allem aber utopische Figur, die sich einen Rest von Freiheit bewahrt hat und nur so den Wahnsinn da draußen überleben kann. Das Stück endet mit einem Marina-Abramović-Zitat – funktionieren Künstlerinnen vielleicht ganz anders?
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