Nach der Liebelei

Rolf Schneider
Nach der Liebelei
Stück in 3 Szenen
1 D, 1 H, 1 Dek
Der Dichter Arthur Schnitzler gehört zum Ensemble jener außerordentlichen künstlerischen Begabungen, die im Österreich um 1900 zu europäischer Bedeutsamkeit gelangten. Seine Stücke erbrachten für das deutschsprachige Theater, was Tschechow für die Russen lieferte: wehmütige Abgesänge auf eine untergehende Welt. Privat war der Sohn aus jüdischer Ärztefamilie ein hochkultivierten Mann, mit ausgezeichneten Manieren, vor allem aber war er ein ausschweifender Erotiker, begabt mit geradezu unersättlichem sexuellem Appetit. Üblicherweise unterhielt er mehrere Verbindungen nebeneinander. Eine davon er hatte mit der Schauspielerin Adele Sandrock.


Die trat in deutschen Lustspielfilm der dreißiger Jahre auf als pompöse Greisin in altmodisch schwarzer Garderobe, komisch, herrisch und mit donnerndem Damenbass. So hat sie sich in der Erinnerung gehalten, und kaum jemand weiß noch, dass sie zuvor eine bedeutende Charakterdarstellerin gewesen war und noch früher ein gefeierter Bühnenstar mit erheblicher erotischer Ausstrahlung.


Schnitzler und die Sandrock hatten eine stürmische Beziehung, die keine zwei Jahre hielt. Später sahen sie sich noch manchmal und wechselten auch Briefe. Zuletzt begegneten sie einander 1929, zwei Jahre vor Schnitzlers Tod. Der Dichter saß im Parkett des kleinen Berliner Theaters Unter den Linden; die Sandrock war dort engagiert. Man hatte ihr die Anwesenheit des berühmten Besuchers vermeldet, sie spähte durch das Guckloch im Vorhang, sah ihn und stöhnte: "O Gott, ist der alt geworden!"


Unser Stück lässt diesem Wiedersehen auf Entfernung ein Treffen auf engem Raume folgen. Zwei nicht mehr junge Menschen erinnern sich ihrer einstigen erotischen Leidenschaft, was zugleich komisch und rührend ist. Sie streiten sich wie einst. Sie versöhnen sich wie einst. Sie reden über Kunst und Leben, über Arbeit und Spiel, über Liebe und Tod. Das Politische der Zeit eines wachsenden europäischen Faschismus wird nicht ausgespart. Am Ende ist es Schnitzler, der die Zeche bezahlen muss, nicht nur im wörtlichen Sinn.


Dieses Treffen ist eine Erfindung. Ist es eine Erfindung? Vielleicht hat es sich ereignet, und wir wissen es nur nicht. Wenn es sich ereignet hat, ist es genau so abgelaufen wie hier beschrieben.



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